Solarstrom, die ideale Ergänzung zur Wasserkraft

(Gastkommentar  von Roger Nordmann in der NZZ vom 6.5.2017)

In der NZZ vom 22. 4. 17 will uns Gastautor René Weiersmüller weismachen, dass ein verstärkter Ausbau des Solarstroms nicht machbar sei. Er geht davon aus, dass das bundesrätliche Szenario von 11 Terawattstunden neue erneuerbare Energien bis 2035 mangels verfügbarer Flächen für Solaranlagen nicht zu erreichen sei. Abgesehen davon, dass der Bundesrat auch auf Biomasse, Wind und Geothermie setzt, ist der Vorwurf sachlich falsch, denn auf den am besten geeigneten Dach- und Fassadenflächen der Schweiz könnten jährlich rund 30 Terawattstunden Solarstrom produziert werden. Das vorgeschlagene Szenario wäre also vollständig mit Anlagen auf bestehenden Gebäuden erreichbar.

Der vom Autor skizzierte Albtraum einer nicht zu bewältigenden Tagesspitze entspricht auch nicht der Realität, denn nicht alle Anlagen sind genau nach Süden ausgerichtet. Folglich erreichen sie ihre Tagesspitze verteilt über den Verlauf des Tages, was sich mit der täglichen Kurve des Stromverbrauchs recht gut deckt. Bei einer momentanen Überlastung der Netze am Mittag im Hochsommer können auch Anlagen vom Netz getrennt werden, ohne dass deren Betreiber ernsthafte Verluste befürchten müssten.

Richtig ist: Wenn die Sonne intensiv scheint, wird der Strom billig. Das wird unter anderem die Betreiber des neuen Pumpspeicherwerks Limmern freuen, die diesen billigen Strom zum Pumpen verwenden und am Abend den Strom zu einem höheren Preis wieder verkaufen können. Auch Batteriespeicher und Elektroboiler eignen sich zur Nutzung mittäglicher Produktionsspitzen. Dafür braucht es keine «Planwirtschaft», wie Weiersmüller behauptet, denn sowohl Solarmodule als auch Batterien werden immer billiger; und diese dezentrale Speicherung entlastet zudem die Netze.

Als die AKW in der Schweiz erstellt wurden, stand man vor dem umgekehrten Problem: Sie produzierten immer gleich viel Strom, unabhängig davon, ob er gerade gebraucht wurde. Mit der massiven Förderung von Elektrospeicherheizungen wurde dieses Problem ziemlich unelegant gelöst. Mit dem Ersatz dieser Heizungen, z. B. durch Wärmepumpen, lässt sich der Winterstrombedarf deutlich reduzieren. Im Winterhalbjahr produziert eine Solaranlage im Mittelland etwa einen Drittel ihres Jahresertrags – ein Anteil, der oft unterschätzt wird. Solarenergie ist die ideale Ergänzung zur bestehenden Wasserkraft: Im Frühling liefert sie bereits viel Strom, wenn die Speicherseen noch leer sind. Im Sommer können die Wasserreserven geschont werden, so dass sie im Winter für die Stromproduktion zur Verfügung stehen. Staumauererhöhungen können zusätzliche saisonale Speicherkapazität schaffen. Dem gleichen Zweck dient die Umwandlung von sommerlichen Produktionsüberschüssen in Wasserstoff oder Methan.

Mit der Energiestrategie 2050 wird die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Solaranlagen faktisch durch die Einmalvergütung ersetzt. Diese deckt maximal 30 Prozent der Investitionskosten. Mit diesem Umbau fallen die Förderkosten pro Kilowattstunde Solarstrom von heute 10 auf rund 2 Rappen. Die rasante Kostensenkung der Photovoltaik hat diesen Systemwechsel erlaubt. Das Anreizsystem ist ein marktwirtschaftliches Instrument und eine gute Investition in eine sichere Energiezukunft – ersparen wir uns den Vergleich mit den Milliarden an falsch investiertem Steuergeld in AKW und deren ungedeckte Folgekosten für Rückbau und Entsorgung.

Vom Autor Weiersmüller läse man gerne die Skizze eines Plans B für die Stromversorgung. Wie soll sich die Schweiz mit Strom versorgen, wenn die letzten AKW in 15 bis 20 Jahren altersbedingt ausgemustert werden? Die Schweiz fiele in die Importabhängigkeit, wie die Erfahrung des letzten Winters gezeigt hat. Mit der gleichzeitigen Panne von Leibstadt und Beznau I ist die Hälfte der Atomstromproduktion ausgefallen und durch Importe ersetzt worden. Das wäre das Gegenteil von Versorgungssicherheit, darum unterstützt auch der Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) die Energiestrategie.

Die Erschliessung der neuen erneuerbaren Energien ist eine Fortsetzung und Erweiterung dessen, was unsere Vorfahren mit der Wasserkraft geleistet haben. Statt damals auf deutsche Kohlenimporte zu setzen, haben sie beschlossen, die gratis anfallende Primärenergie der Schweiz – nämlich die Wasserkraft – zu nutzen. Damals lag die notwendige Technologie vor. Heute kann man auch Sonnenlicht direkt und billig in Strom umwandeln. Zudem hat die Stromspeicherung enorme Fortschritte gemacht, wie der Boom der Elektroautos beweist. Die heutige Generation soll den gleichen Unternehmergeist beweisen wie unsere Vorfahren – das fängt mit einem Ja am 21. Mai zur Energiestrategie 2050 an.