Ja zu Europa, Ja zum Lohnschutz

EUROPÄISCHE INTEGRATION UND LOHNSCHUTZ BEDINGEN SICH GEGENSEITIG

 

Am 29. März hat die Geschäftsleitung der SP Schweiz einstimmig Position zum institutionellen Abkommen bezogen: Die SP strebt ein Rahmenabkommen mit der EU an, das den Schweizer Lohnschutz einhält. Doch zuerst muss der Bundesrat die offenen Fragen klären.

«Der Abschluss eines institutionellen Abkommens, das die Grundlage für Rechtssicherheit, Mitsprache und den kontinuierlichen und ausgewogenen Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit der EU schafft, soll durch den Bundesrat weiterhin angestrebt werden. Die SP Schweiz hat aber immer deutlich gemacht, dass der Lohnschutz eine grundlegende Voraussetzung für die Zustimmung zu einem Rahmenabkommen ist.»

Mit diesen Worten hat SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann bereits im Herbst 2018 im Parlament die Position der SP dargelegt. Daran hat sich nichts geändert: Die SP will stabile und geregelte Beziehungen zur Europäischen Union sowie eine Vertiefung dieser Beziehungen. Die SP ist deshalb für ein Rahmenabkommen. Gleichzeitig setzt sie sich für den heutigen, wirksamen Lohnschutz ein, weil dieser die Grundlage für den Erhalt, die Sicherung und Vertiefung von stabilen und geregelten Beziehungen zur Europäischen Union darstellt. Für die SP gilt: Europäische Integration und Lohnschutz bedingen sich gegenseitig.

65 konkrete Fragen an den Bundesrat

Leider hat es der Bundesrat bis heute nicht geschafft, eine ausreichende Grundlage für eine seriöse Stellungnahme für oder gegen das Abkommen vorzulegen. Es ist aufgrund des vorliegenden Vertragsentwurfs völlig unklar, wie sich das Rahmenabkommen auf zentrale Bereiche wie den Lohnschutz oder die «staatlichen Beihilfen» auswirkt und wie Konflikte geregelt werden. Konkret: Können Löhne und Arbeitsbedingungen weiterhin wirksam kontrolliert werden? Wenn ja, wie? Sind die Sozialpartner damit einverstanden? Was passiert mit den Service-public-Unternehmen oder mit der staatlichen Wohnbauförderung? Wer entscheidet im Streitfall? Die SP möchte vom Bundesrat Antworten auf insgesamt 65 konkrete Fragen. Denn solange derart viele Fragen offen sind, kann der vorliegende Vertragsentwurf nicht unterzeichnet werden.

Derzeit keine Mehrheit in Sicht

Immerhin hat die Konsultation die Fronten innenpolitisch geklärt. Die SVP ist wie eh und je gegen jede Kooperation mit Europa. Die FDP und die GLP wollen sofort unterzeichnen – aus wahltaktischen Gründen und weil sie eine Chance sehen, die Löhne in der Schweiz anzugreifen. Alle anderen Parteien und Verbände haben wie die SP vor allem viele offene Fragen an den Bundesrat. Kurz: Eine Mehrheit ist nicht in Sicht.

Wie geht es nun weiter? Die EU lehnt formelle Nachverhandlungen bisher kategorisch ab. Dies hat aber auch mit dem aktuellen Klima innerhalb der EU, vor allem mit dem scheinbar unlösbaren Brexit, zu tun. Luca Visentini, Chef des Europäischen Gewerkschaftsbundes, räumt allerdings Spielraum bezüglich Nachverhandlungen ein und nennt das Freihandelsabkommen mit Kanada als Beispiel. In diesem Fall wurde aufgrund sozialer und ökologischer Bedenken in der EU und in Kanada tatsächlich nachverhandelt. Er empfiehlt der Schweiz, auf keinen Fall zu unterschreiben, sondern weitere Gespräche mit der EU zu suchen.

Die europäische Linke ist auf unserer Seite

Sowieso ist bezeichnend, wie stark die europäischen Gewerkschaften und die linken Parteien im europäischen Parlament die Position der SP unterstützen. Auch für sie ist der Schutz von Löhnen und Arbeitsbedingungen ein zentrales Anliegen. Das zeigt: Die Debatte ums Rahmenabkommen ist kein «Länderspiel», in dem sich angeblich «nationale Interessen» gegenüberstehen. Es geht um den alten Gegensatz zwischen links und rechts, zwischen Arbeitnehmenden und krudem Renditedenken.

Wenn es dem Bundesrat also ernst ist mit der Vertiefung der Beziehungen zu Europa, dann muss er die offenen Fragen klären und gegebenenfalls nochmals das Gespräch mit Brüssel suchen. Ziel der SP ist es, ein Rahmenabkommen mit der EU zu erreichen, das in einer Volksabstimmung bestehen kann, denn gute und geregelte Beziehungen der Schweiz zur EU sind für unser Land von entscheidender Bedeutung.

 

Roger Nordmann, Nationalrat VD und Fraktionspräsident