Während der letzten beiden Wochenenden sind zwei zentrale Informationen öffentlich geworden:
Information 1) Axpo behauptet, 4,1 Milliarden Franken Entschädigung zu fordern, wenn die Dauer der Nutzung ihrer Atomkraftwerke auf 45 Jahre begrenzt wird, wie es die Initiative verlangt (NZZ am Sonntag, 30 Oktober)
Information 2) Alpiq gibt offen zu, viel Geld mit seinen Atomkraftwerken zu verlieren, so viel, dass das Unternehmen versucht, sie für einen symbolischen Preis von einem Franken loszuwerden (Sonntagszeitung, 5 November).
Gibt es einen Widerspruch zwischen diesen beiden Informationen ? Ja und nein.
Nein, weil die Axpo gegenwärtig noch mehr Geld verliert als Alpiq, da sie mehr und kostspieligere Atomkraftwerke besitzt.
Nein, da Alpiq auch versuchen wird, Entschädigungen zu erhalten, zumindest als Eintrittsforderung in die Verhandlungen.
Ja, weil es völlig unwahrscheinlich ist, Entschädigungen zu erhalten. Denn die Annahme der Initiative nimmt den Unternehmen nur eines weg, nämlich die Möglichkeit, Verluste zuschreiben. Das ist eine Entlastung, keine Belastung. Gleiches gilt für den Verlust eines inexistenten Verkehrswertes: etwas zu verlieren, das man gerade versucht hat, für einen symbolischen Franken versucht loszuwerden, kann nicht als Schaden angesehen werden*. Das Gericht, das über die Klage urteilen wird, wird diese Informationen auch haben. Und die Beweislast wird bei der Axpo liegen.
Das finanzielle Risiko für die Schweiz ist massiv, aber nicht aufgrund der Schadenersatzzahlungen. Weshalb also?
Momentan befinden sich 6.2 Milliarden in den Fonds für den Rückbau und die Entsorgung der nuklearen Abfälle, wohingegen im Jahre 2011 die zukünftigen Kosten auf 16 Milliarden geschätzt wurden. Nie und nimmer werden die Erträge aus den Finanzmärkten, die Reserven der Betreiber und ihre jährliche Beiträge ausreichen, um die Differenz zu begleichen. Dies umso weniger, als diese Schätzung der Kosten durch Swissnuclear wohl zu optimistisch ist. Die AKW-Unternehmen werden mit gewaltigen Kosten konfrontiert sein. Das ist der Grund, weshalb das Besitzen eines AKWs jede Bilanz in den Abgrund zieht.
Der Artikel 80 des Kernenergiegesetzes sieht vor, dass der Bund die Kosten übernimmt, wenn die Belastung durch die Stilllegung und Atommüllentsorgung „ wirtschaftlich nicht tragbar“ ist . Es ist also schon jetzt sicher, dass die SteuerzahlerInnen die Spätkosten des AKW-Zeitalters berappen werden, und dass sich der Betrag in Millionenhöhe belaufen wird.
Wieso reduziert der sofortige Stopp von Beznau und die Fixierung eines Abschaltungsdatums für Gösgen (2024) und Leibstadt (2029) die Kosten für die Schweiz?
Aus einem ganz einfachen Grund: Die AKWs verursachen einen jährlichen Verlust von etwa 500 Millionen, wie das Magazin „Bilanz“ kürzlich berechnet hat. Nun bezahlen die Betreiber nur 188 Millionen jährlich in den Fonds für den Rückbau und die Entsorgung der nuklearen Abfälle. Deshalb fliessen jedes weitere Jahr, in welchem die AKWs am Netz sind, zwar 188 Millionen in den Fonds, aber die Bilanz der Aktionäre wird um jedoch 500 Millionen geschwächt. Der Unterschied, 300 Millionen, wird sich in 10 Jahren sich zu einem Loch von 3 Milliarden aufsummieren. Je länger man wartet, desto weniger Substanz wird die Bilanz von Alpiq und Axpo aufweisen (umso mehr als andere Sektoren auch defizitär sind). Deshalb ist es günstiger, jetzt statt inin 10-15 Jahren zu verhandelnt. Wenn wir ein fixes Abschalt-Datum festsetzen, werden die Betreiber und ihre Aktionäre gezwungen sein, ihre Bilanzen an den realen ökonomischen Wert der AKWs anzupassen. Diese gigantische Anpassung der Bilanzen an die Realität wird sie zwingen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Der Bund kann heute im Gegenzug der Übernahme der Kostenüberschreitungen ein Kompensationszahlung von den Atomkonzernen erhalten. Dagegen würde der Bund in 10-15 Jahren gar nichts erhalten: dazumal werden Alpiq und Axpo zu Bad Banks geworden sind, deren einzige „Aktiven“ stillgelegte Atomkraftwerke sind. Der Bund würde nur die Kostenüberschreitungen erben.
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Vertieftes Analysebericht unter www.roger-nordmann.ch
*Siehe Gutachten von Prof Prof Riva