CO₂-Gesetz: Nichtstun wäre teuer

(im Tages-Anzeiger vom 24.4.2021 erschienen)

Kurzvideo: Wer genau sind die 7 lobbys, die das CO2-Gesetz bekämpfen?

Der Namenswechsel war wenig aufregend: «Aus der Erdöl-Vereinigung wird Avenergy Suisse», hiess es 2019 in einer Medienmitteilung. Langweilig und vorhersehbar war auch die von einem PR-Büro mitgelieferte Story: Der neue Name mit Bezug auf «avenir» solle die Fokussierung auf die Zukunft unterstreichen. Rückblickend zeigt sich jedoch, dass die Übung strategisch sehr wohl durchdacht war. Die Öl-Lobby wollte sich vor dem Referendum gegen das CO2-Gesetz ein neues, unverfängliches Tarnmäntelchen überziehen.

Denn mit dem Referendum gegen das CO2-Gesetz will die Öl-Lobby offensichtlich ihre Pfründe schützen, und zwar so lange wie möglich. Es geht um nicht weniger als 8 Milliarden Franken pro Jahr. Das ist nämlich der jährliche Betrag, den die Schweiz für den Import von fossiler Energie im Schnitt der letzten 10 Jahren ausgegeben hat. Darin nicht einberechnet sind die Mineralöl- und die Mehrwertsteuer.

Das wichtigste Ziel des CO2-Gesetzes ist natürlich der Klimaschutz, also die Reduzierung unserer Treibhausgasemissionen. Damit erfüllt die Schweiz ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen. Nur so bleibt unser Planet auch für zukünftige Generationen lebenswert. Eine ambitionierte Klimaschutzpolitik bringt jedoch auch wirtschaftlich enorme Vorteile.

Der erste Vorteil ist die schrittweise Reduzierung der Ausgaben für Öl. Mit dem CO2-Gesetz sinkt die Rechnung für den Import fossiler Brennstoffe schon bis 2030 von 8 Milliarden auf rund 5 Milliarden. Und bewegt sich danach schrittweise gegen Null.

Der zweite Vorteil: Um vom Öl weg zu kommen, braucht es mehr Investitionen im Inland. So verbleibt ein grösserer Anteil der Wertschöpfung in der Schweiz und es fliessen nicht mehr Milliarden in erdölexportierende Länder ab. Wir müssen die Energieeffizienz unserer Geräte, Gebäude und Infrastrukturen verbessern und mehr erneuerbare Energie produzieren. Dabei kommt der Schweiz zugute, dass die Primärenergie in Form von Wasser, Wind und Sonnenschein kostenlos in der Schweiz ankommt. Dies im Gegensatz zu Ölfässern, die teuer eingekauft werden müssen.

Der dritte wirtschaftliche Vorteil besteht darin, dass mit einer Begrenzung der globalen Erwärmung auch die Folgekosten tiefer sind. Wenn die internationale Gemeinschaft ihre Klimaschutz-Verpflichtungen einhält, kann der Temperaturanstieg noch begrenzt werden – auch wenn er sich leider nicht mehr vollständig vermeiden lässt. Im Hinblick auf den Wohlstand und die Lebensqualität zählt aber jeder vermiedene Grad. Umgekehrt treibt jedes weitere Grad an Erwärmung Hunderte von Millionen Menschen in die Flucht. Weil der Meeresspiegel steigt oder ganze Regionen zu heiss und damit unbewohnbar werden. Nebst menschlichem Leid würde das auch eine globale Wirtschaftskrise nach sich ziehen, mit Folgen auch für die Schweiz.

Der vierte ökonomische Vorteil ist zwar kaum zu beziffern, aber deshalb nicht weniger wichtig: Die Reduzierung des weltweiten Ölverbrauchs wird auch die Versuchung verringern, diese Ressource mit militärischer Gewalt zu erobern. Die meisten bewaffneten Konflikte haben direkt oder indirekt mit Energie zu tun. Kommen wir also weg vom Öl, dann wird die Welt ein friedlicherer Ort.

Die Kosten eines Scheiterns wären also sehr hoch. Gelingt es uns nicht, die Klimaerwärmung zu stoppen und auf eine nachhaltige Energieproduktion umzusteigen, würde es sehr teuer. Daher haben sich SP, CVP, Grüne, FDP und Grünliberale im Parlament auf ein wirksames CO2-Gesetz geeinigt. Dieser Kompromiss löst natürlich nicht alle Probleme. Er kann darum nur ein erster Schritt auf dem Weg in eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe sein. Aber es ist ein notwendiger und entscheidender Schritt, der ohne Verzögerung getan werden muss, wenn wir eine Chance haben wollen, den Kampf gegen die globale Erwärmung zu gewinnen.