Auch wenn die SP bei den Wahlen schweizweit gesehen stabil geblieben ist, dürfen wir nicht die Augen vor der Realität verschliessen: Die Nationalisten sind gestärkt aus diesen Wahlen hervorgegangen. Gleichzeitig wurden die fortschrittlichen Kräfte geschwächt. Diese schwierige Konstellation wird die kommende Legislatur im Nationalrat prägen. Trotzdem gibt sie uns nicht das Recht, den Kopf hängen zu lassen und erst recht nicht, unser Markenzeichen zu vernachlässigen: Die Verpflichtung, Ergebnisse zu liefern.
In verschiedenen Dossiers, von der Energiestrategie über die Altersreform, müssen wir jetzt erst recht Allianzen suchen. Und wir müssen auch gelegentlich den Mut haben, den Kompromiss des Kompromisses zurückzuweisen. Aber nie ohne vorher konstruktive Lösungen gesucht zu haben. Die Wählerinnen und Wähler haben uns nicht nach Bern geschickt, damit wir uns tapfer, aber erfolglos gegen die Rechten wehren und Moralpredigten halten. Darum ist klar: Wenn wir ein Referendum ergreifen, dann um es zu gewinnen und nicht einfach um unser Gewissen zu beruhigen.
Natürlich macht uns die Schwächung der Mitte das Leben schwerer: Es wird nicht mehr möglich sein, Vorlagen gegen den Willen von FDP und SVP durch den Nationalrat zu bringen. Allerdings könnte das rechtsbürgerliche Gespann, das 101 Sitze auf sich vereint, schnell auseinanderbrechen, und zwar aus drei Gründen:
- Höchst wahrscheinlich werden die Mehrheitsverhältnisse im Ständerat anders sein. Wenn es die FDP nicht schafft, von der SVP loszukommen, wird es zu einer verlorenen Legislatur kommen, in der sich die Kammern gegenseitig blockieren. Die FDP steht also in der Verantwortung.
- Der Zuwachs der SVP hat die FDP arithmetisch in eine Position gebracht, in der sie das Zünglein an der Waage spielen kann, was ihre Verantwortung noch erhöht. Wird es die FDP zum Beispiel wagen, die Energiewende zu Fall zu bringen? Oder wagt sie es, die Zukunft der AHV zu gefährden? Die FDP wird ziemlich gut überlegen müssen, bevor sie sich entscheidet.
- Die SVP will die bilateralen Verträge zerstören, während die FDP – genau wie wir – sie erhalten will. Um die Bevölkerung davon zu überzeugen, auf Kontingente, die nicht mit den Bilateralen vereinbar sind, zu verzichten, braucht es eine Allianz der vernünftigen Kräfte.
Einfach zu wiederholen, dass die Bilateralen Wohlstand bringen, wird nicht reichen, um das Referendum zu gewinnen. Die Zeit der Economiesuisse-Apfelbäume ist vorbei. Nur eine gerechte Verteilung der Dividenden aus den bilateralen Verträgen kann diese retten. Oder, um es mit unserem Slogan zu sagen: «Bilaterale für alle statt für wenige». Und weil die kommende Auseinandersetzung auch auf der kulturellen Ebene stattfindet, brauchen wir eine klare Haltung zu den positiven Aspekten unserer engen Zusammenarbeit mit Europa. Das hilft uns, den Nationalismus zurückzudrängen in jenes Réduit, das er niemals hätte verlassen dürfen.